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Treffpunkt Frierhaus

Okt 8 , 2009

Von Gudrun M. H. Kloes in Ungewöhnlich essen
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Knutur, mein kleines Haus, lässt keine Gefriertruhe zu. Die Alternative ist das öffentliche Gefrierhaus am Hafen, wo Bauern und Fischer ihre Vorräte lagern – und ich. In EU-Ländern wären die frostigen Holzverschläge schon längst geschlossen worden. Und in der Tat wird mir im Frierhaus so schwummerant, dass die Phantasie Sprünge macht.

-28°C

-28°C

Einmal kam mir beim Eintreten ein struppiges Kätzchen entgegengeschossen. Auf dem bereiften Fußboden hatten seine Tätzchen dunkle Spuren hinterlassen, wo es an der Tür auf die Freiheit gewartet hatte. Ein ander Mal lag eine Stein und Bein gefrorene Robbe im Gang – Vorrat eines Küstenbauern? Und wieder ein anderes Mal versicherte mir ein gestandener Landwirt, der eine Fohlenhälfte geschultert hatte, nie ohne sein Handy diesen Ort des Schauders zu betreten. Das mache ich auch nicht.

Eigentlich müsste auch eine Taschenlampe mit. Als vor meinem Verschlag mal schrippenähnliche Teile auf dem Boden lagen, wohl aus einem anderen Abteil gefallen, erkannte ich im Dämmerlicht und mit beschlagener Brille feine rötlich-blaue Muster darauf, wie mit einer Feder gezeichnet. Mit dem Unbehagen des Frierhauses im Nacken lebten die Horrorfilmtitel meines Sohnes auf und ich sah okkulte Veranstaltungen vor mir, bei denen mit geheimnisvollen Zeichen überzogene Brötchen auf Tellern aus Haut und Knochen herumgereicht werden. Schnell nahm ich meine Forellen und verließ den zwiespältigen Ort.

Selbsttätiger Türschliesser im Gefrierhaus

Selbsttätiger Türschliesser im Gefrierhaus

Draussen beschlug die Brille noch mehr. Doch Bangsi konnte ich erkennen; er war dabei, einige vielversprechende Flundern in den Frost zu bringen. Und er konnte mir sagen, worum es sich bei den rätselhaften Objekten mit den rötlich-blauen Strichen handelte: Pferdehoden. Also etwas völlig Normales.

Es gibt sogar ein Hodenkochbuch. Cooking with balls, von Ljubomir Erovic. Wer Interesse hat, kanns ja im Internet finden.

Ich möchte an dieser Stelle einen in der Islandszene bekannten deutschen Reiter zitieren, der in der deutschen Pferdezeitschrift Hestur seine Vorliebe für kross gegrillte Pferdehoden kundtat (1988; die Hoden in Scheiben schneiden, mit Speck umwickeln und über offenem Feuer grillen; Volker Ledermann). In Island werden sie gekocht, danach in kalter Salzlake ziehen lassen, schliesslich in Molke 6-8 Wochen gesäuert. Dann sind sie grau und merkwürdig elastisch. Weder schön noch fein.

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