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Gruseliges von der Hai-Front

Feb 9 , 2010

Von Gudrun M. H. Kloes in Ungewöhnlich essen
2 Kommentare »

Egal, wie die finanziellen und politischen (Mis-)Verhältnisse im Is-Lande sind. Das Winterfest Þorrablót wird in ganz Island ebenso vehement gefeiert wie Karneval in Mainz oder Kölle. Doch wo heiter Kölsch gekippt wird oder Binding, leiden wir hier in Island bei sauer Eingelegten Schafsmägen und fermentiertem Hai. Es ist ein ruppiger Genuß, falls es einer ist  …

Der Gelbe ist in Island der devisenbringende Kabeljau. Der Graue ist der delikate Eishai, dessen Fleisch abgehangen und vergoren in kleinen Würfeln zum Verzehr angeboten wird. Dabei wabern tränentreibende Ammoniakschwaden, die auch bescheidenen Portiönchen entströmen, durch die Hallen, so daß der Speise ein weiter Horizont angeraten wäre, doch wird sie meist in überfüllten und impertinent stickigen Sälen verabreicht. Abgesehen von Geschmack und Geruch des hákarl kann Hai es bringen. Wer so gesund wie möglich durch den arktischen Winter kommen will, nimmt teelöffelweise Haitran zu sich. In der Krebstherapie werden Haiknorpelpräparate unterstützend eingesetzt.

Hai abgehangen, Foto P.J.

So lange er noch lebt, gilt der Eishai unter seinen Fängern als lethargisch und wählerisch, weshalb sie vor dem Fangzug der Präparation des Köders besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Grundzutat des Köders ist Pferdefleisch oder eine tote, kleine Robbe – ein Heuler also. Pferdefleisch und Heuler sind nicht allen, die sich zum Haifang berufen fühlen, in den Schoß gelegt; als Lückenbüßer kann Rochen herangezogen werden. Einen zufriedenen Hai jedoch erschlägt nur, wer Fleisch und dazu auch Rum spendiert.Überlieferte Köderrezepte sehen vor, das Pferdefleisch ordentlich durchgammeln zu lassen, dann in einer Tonne einzusalzen, zu zuckern, mit Rum aufzufüllen und die Tonne einige Wochen bis zur Fangzeit fest verschlossen zu halten. Zarte Heulerchen dürfen keinesfalls verderben, ehe auch sie – mit Rum zugeschüttet und sorgfältig hinten und vorne vor dem Auslaufen gesichert – in eine Tonne wandern. Durch die Lagerung nehmen sie einen scharfen Geruch an – und genau darauf wartet der hungrige, verwöhnte Hai des Nordens.

Wie umfangreich Haifang früher war, dokumentiert das Regionalmuseum Reykir in Nordwest-Island, aber auch das Hauptbild dieser Internetseite. Es zeigt die Mädchen Kría und Þórey mit ihrer Mutter in Trékyllisvík, Strandir-Bezirk, an einen Riesentopf gelehnt, in dem Haitran ausgelassen wurde.

Heute wird der Graue kaum noch gezielt gefangen. Er endet hin und wieder in Fischernetzen und wird als quotenfreies Beiprodukt freudig begrüßt. Nachdem das Fleisch, möglichst das fette vom Bauch, unter einer Last von Steinen gepresst und durchgegoren ist, wird es in luftigen Schuppen zum Trocknen aufgehängt. So beschwört es, außen dunkelbraun, die Illusion stattlicher Räucherschinken. So lange, bis der wahre Charakter ans Licht kommt und eine verlegene Ammoniakwolke durch die Sparren der Trockenschuppen wabert  …

2 Kommentare zu “Gruseliges von der Hai-Front”

  1. Maths

    Danke für den Artikel. Das mit dem wahren Charakter interessiert mich jetzt:)
    Der „Räucherschinken“ sieht ja schon mal sehr lecker aus, aber die angesprochene Ammoniakwolke macht die Illusion irgendwie wieder zunichte…
    Ich werde aber auf jeden Fall mal dort hin schauen: „Isländisch essen in Berlin“.
    Beste Grüße
    Maths

  2. Gudrun M. H. Kloes

    Hallo, warst du dort, wie war’s?
    Gutes angebrochenes Jahr, Gruss von unsereins.

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