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Generalversammlung der Raben

Mrz 22 , 2010

Von Gudrun M. H. Kloes in Allgemeines
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Während sich  in der Nacht zum 21. März zwischen zwei Gletschern Südislands, wo eine sehr beliebte Wanderstrecke liegt, eine kilometerlange Vulkanspalte öffnet, schlafen wir wie die Murmeltiere im sicheren Norden der Insel. Abends hatte es gegrillte Lammkoteletten gegeben. Bei diesem Gericht essen die Raben zweimal bei uns mit. Einmal am Tag vor der Mahlzeit, dann bekommen sie abgeschnittene Fettränder und andere anfallende Delikatessen, die nicht mariniert werden.

Am Tag nach der Mahlzeit erhalten sie dann die Knochen. Diesmal jedoch ließen sie den zweiten Teil des Rituals aus und schenkten unseren Resten keine Beachtung. Sie flogen stattdessen in großer Höhe nach Süden, als hielten sie Ausschau nach der Eruption. Als ich am Nachmittag nette Leute weiter südlich im Tal besuchen fuhr, fand ich die Erklärung für das ungewöhnliche Rabenverhalten. Auf einem Acker hatten sie sich zur Frühlingsvollversammlung (hrafnaþing) niedergelassen, mehr als 30 Vögel hockten beisammen und taten offenbar nichts – also genau das, was man Generalversammlungen gerne unterstellt. So gesellig sind sie selten, es sei denn, dass es irgendwo reichlich Futter gibt. Was sie bei ihren Zusammenkünften bekrächzen, können wir uns zwar vorstellen, aber nicht wissen. Es heißt, dass die Versammlung ein Wörtchen mitredet, wenn sich ein verwitweter Rabe oder eine alleinstehende Räbin einen Partner angelacht hat. Mag sein, dass es sich um eine Art Biertisch handelt, wo Erfahrungen ausgetauscht werden. Kolkraben sind verstreut lebende Standvögel und kennen den Verband der Zugvögel oder die Sicherheit der Brutkolonie nicht aus eigener Erfahrung. Vielleicht empfinden sie dies als Mangel, den sie ein- bis zweimal im Jahr auszugleichen versuchen. Abends flogen kleine Trupps ganz hoch oben nach Norden und kehrten dem sonst so begehrten Fraß und der Eruption am Eyjafjallajökull den Rücken.

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