Das Gewicht von Eiern ohne Waage
Mrz 29 , 2011
Oma „35“, zweimal verwitwet, gab uns Kindern Zuckerwasser, wenn wir von einer Familienwanderung aus dem Binger Wald zurückkamen und ihr dabei einen Besuch abstatteten. Die Eltern waren vom Zuckerwasser längst nicht so verzückt wie wir. Oma wusste das und nahm es lächelnd hin. Limonade kannten wir nicht, wohl aber gekühlten Pfefferminz- und Kamilletee; an das Zuckerwasser kam dieser jedoch keineswegs heran. Diese Oma, die zusammen mit der anderen (Oma „19“) bewusst oder unbewusst dazu beitrug, dass ich im Grunde eine Persönlichkeit mit der verinnerlichten Werteskala des ausgehenden 19. Jahrhunderts bin, denn da stammten sie her mit all ihrer Sozialisation, ist mir in lebhafter Erinnerung. Sie kam aus bäuerlichen Hunsrücker Verhältnissen und lernte als Dienstmädchen in einem bürgerlichen Haushalt kochen. Wichtige Schriftsteller zitieren ihre Großmütter zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Kritiker haben nicht immer Verständnis dafür, aber ich finde das normal und angebracht.
Bei Oma „19“ lernte ich die urwüchsige schwäbische Küche kennen und praktiziere sie heute gelegentlich in Island. Oma „35“ hinterließ ein sorgsam zusammengehaltenes und handgeschriebenes Kochbuch. Sütterlin habe ich noch in der Schule gelernt, doch in diesem Buch vereinen sich ältere Chirograhien, dass es eine Art hat. Manches ist mit einem Bleistift geschrieben, der echt noch Blei enthielt („Bleier“) und mit der Zeit durchschlug. Auf diesen Seiten ist kaum etwas zu enträtseln. Einige andere Personen haben Rezepte mit ihrer jeweiligen Handschrift beigesteuert, was die Sache nicht einfacher macht. Aber immerhin; entziffert habe ich das folgende Rezept, und es wird hier genau so wiedergegeben, wie es festgehalten wurde. Es hat gar nichts mit Island zu tun, außer dass ich es manchmal hervorhole, wenn meine Hühnerinnen (oder die von Snorri, dem Hahn) so fleißig legen, dass meine Lust auf ein Soufflee nach dem anderen rückläufig ist. Und es ist einfach und schmeckt nach neunzehntem Jahrhundert …
Blitztorte!
Mann nimt 9 Eier und soviel diese wiegen Zucker, soviel 6 Eier wiegen Mehl, und soviel wie 3 Eier Butter. Das Eiweiß wird zu Schnee geschlagen und mit dem Zucker eine Weile gerührt. Sodann tut man das Eigelb, das Mehl und zuletzt die zerlassene (nicht heiße) Butter dazu, füllt den Teig gleich in die Form und bäckt die Torte in einem ziemlich heißen Ofen.
Ich bemerke gerade in diesem Moment dass ich deinen Blog deutlich mehr besuchen sollte :) – da komme ich wirklich auf super Ideen